Masuren – Traumlandschaft der Seen und Wälder

Masuren – Landschaft am Rand der großen Geschichte

In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts waren es hauptsächlich die „Heimwehtouristen“ genannten einstigen Bewohner Masurens, die aus Sehnsucht die alte Heimat besuchten. Heute hingegen sind es überwiegend Naturliebhaber, die in Masurens großartiger Natur Aktivurlaub suchen und ihren „Sehnsuchtsort“ finden.

Das Bild vom beschaulichen Masuren mit den vielen kristallklaren Seen und den tiefen Wäldern wurde besonders durch die aus dem Osten stammenden Schriftsteller wie Siegfried Lenz, Arno Surminski, Ernst Wiechert, Hans Hellmut Kirst und Marion Gräfin Dönhoff geprägt.

Arno Surminski meinte einmal: „Man könnte Vater und Mutter verlassen, Kühlschränke, Farbfernseher und Telefonapparate, um in Masuren das einfache Leben zu leben!“ Tief eingeprägt haben sich auch Bilder des Titels des Ostpeußenlieds „Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen“ oder der Slogan „Land der 1.000 Seen“, wobei letzteres noch eine Untertreibung ist. Tatsächlich gehörten nämlich über 3.000 Seen mit mehr als einem Hektar Fläche zum masurischen Teil Ostpreußens.

Diese bis heute unser Bild von Masuren prägenden Beschreibungen zeigen einen aus der Zeit gefallenen Landstrich mit verträumten Dörfern in weiten, hügeligen Landschaften mit intakter Natur. Siegfried Lenz meinte, dieser Landstrich im Südosten Ostpreußens lag wohl schon immer im Rücken der Geschichte. Kein Wunder, denn Masuren war niemals eine geopolitische Einheit, kein Land, keine Provinz und noch nicht einmal ein Bezirk.

Übrigens: Das Wort „Masuren“ ist im Deutschen grammatikalisch gesehen ein Singular wie der Duden bestätigt. Die polnische Bezeichnung „Mazury“ hingegen ist ein Plural. Man fährt also in korrektem Deutsch „nach Masuren“ und nicht „in die Masuren“, denn das wäre eine Rückübersetzung aus dem Polnischen.

Wo liegt Masuren eigentlich?

Die Umrisse dieser Region ohne Grenzen sind geografisch nicht eindeutig festzulegen. Man hält sich heute überwiegend an die Grenzumrisse, die der Historiker und Schriftsteller Andreas Kossert beschrieben hat. Die Grenzen Masurens definiert Kossert anhand der Verbreitung der polnischen Sprache. Die masurisch-polnische Sprache wurde begründet durch die westpolnischen Dialekte der Einwanderer aus der benachbarten Region Masowien, die im 14. und 15. Jahrhundert die Region Masuren besiedelten. Durch die Auswanderung aus dem polnischen Sprachraum verlor die Sprache den Kontakt zur Herkunftssprache und entwickelte sich nicht mit dieser weiter. Dadurch wurden zahlreiche Germanismen im Laufe der Zeit in das in Masuren gesprochene Polnisch eingebracht.

Masuren - Besiedelt von Baltenstämmen

Die heutige Region Masuren war vor über tausend Jahren von den prussischen Stämmen der Pogesanier, Barten, Galinder und Sudauer besiedelt. Nur zu Überfällen auf ihre Nachbarn im Süden schlossen sie sich zu gemeinsamem Handeln zusammen. Vor allem die Barten, Galinder, Sudauer, aber auch die Sassen aus der Region Löbau (Lubawa) fielen immer wieder in die Territorien des polnischen Herzogs Konrad von Masowien ein. Konrad bat daher den Deutschen Orden um Hilfe. Doch erst nach der Zusicherung der unumschränkten Herrschaft über alle eroberten Territorien durch Kaiser Friedrich II. im Jahr 1226 und durch Konrad von Masowien im Jahr 1230 setzte der Orden seine Heere in Marsch.

Der Feldzug war damals ein mühsames Vorankommen, umso erstaunlicher war der rasche Fortschritt der Eroberung der Territorien östlich der Weichsel. Schließlich war es ein Vormarsch durch die „Große Wildnis“, die Heere schlugen sich durch Urwälder, die schwer bewaffneten und von schweren Rüstungen geschützten Ritter kamen stellenwese nur entlang der Flussläufe voran und sicherten erstaunlich schnell eroberte Plätze und Siedlungen durch Befestigungen. Doch ergaben sich die unterworfenen Pruzzenstämme keinesfalls einfach so ihrem Schicksal. Immer wieder kam es zu Aufständen in bereits befriedet geglaubten Gebieten. 

Die letzten großen Aufstände der Natanger unter der Führung von Hercus Monte und Glande mit seinen Samländern endete 1272 mit der endgültigen Niederlage der Stämme. Glande war gefallen. Hercus Monte wurde von Männern des Komturs von Christburg entdeckt und getötet. Durch die Kämpfe und Belagerungen der Ordensritter waren 20-50% der eingesessenen Bevölkerung gestorben oder ins noch heidnische Gebiet des heutigen Litauens geflohen. Prussen, die in den neuen Siedlungen oder auch in den alten Dörfern weiterleben wollten, mussten sich taufen lassen. 

Noch bis Anfang des 14. Jahrhunderts hinein waren weite Landstriche weiterhin unbesiedelt. Dann gründete der Orden immer mehr Komtureien mit festen Häusern. Sie sicherten den Raum und steuerten die Besiedlung der Umgebung. Dies begann in Christburg mit dem damaligen dortigen Komtur Luther von Braunschweig und führte zur Sicherung des vom Deutschen Orden eroberten Land nach Norden und Nordosten vor allem gegen Litauen. Nicht nur Ordensritter kamen in großer Zahl. Auch Siedler aus aller Herren Ländern waren willkommen, einzige Bedingung war der christliche Glaube.

Vom Deutschordensland nach Nordosten - Die Aufsegelung des Baltikums

Die um die Jahrhundertwende 1300 fertiggestellte Marienburg wurde 1309 Sitz des Hochmeisters und der Verwaltung des Deutschordensstaates. Sie sicherte das Territorium des Deutschen Ordens und das weitere Vordringen der christlichen Orden nach Livland und ins weitere Baltikum. Mit dem Begriff der „Aufsegelung des Baltikums“, bildete sich hier die Legende, die den später Deutschbalten genannten deutschen Siedlern und Kolonisten das Hauptverdienst der Eroberung, Christianisierung und Kolonisierung der Region zusprach. Nun trafen die deutschen Neusiedler im Baltikum aber nicht etwa auf menschenleere Landschaften. Im Baltikum lebten damals unter anderen baltische Völker wie die Lettgallen, Liven, Kuren und Esten. Ähnlich wie bei den Rittern des Deutschen Ordens im späteren Ostpreußen erfolgte der Kampf gegen die Urbevölkerung und die eigentliche Eroberung des Baltikums durch von Riga aus vorstoßende Heere des Schwertbrüderordens.

Masuren – Vom Deutschen Orden zum Ende 1945

Seit dem 13. Jahrhundert war das Land der Prussen Gebiet des Deutschordensstaates. Im Jahr 1525 nahm der Ordensstaat unter dem letzten Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach auf Anraten Luthers den protestantischen Glauben an und wurde in das weltliche, erbliche Herzogtum Preußen umgewandelt, das unter polnischer Lehenshoheit stand. Erster Herzog wurde Albrecht von Brandenburg-Ansbach.

Mit der Krönung des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg zum preußischen König Friedrich I. wurde aus dem Herzogtum Ostpreußen Teil des Königreichs Preußen als Provinz Ostpreußen. Durch die Reichsbildung im Jahr 1871 gehörte auch Masuren als Provinz des Königreichs Preußen zum Deutschen Reich. Das blieb so bis 1945, als die Masuren ihre Heimat zum großen Teil fliehend verließen.

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs kam Masuren wie das ganze südliche Ostpreußen zu Polen und ist dort Teil der heutigen Wojwodschaft „Warmia i Mazury“, Ermland und Masuren. Heute sind Masurens Seen die größte Seenlandschaft Polens.

Masuren heute – Region der Minderheiten

Im Vorkriegspolen galten nur 65% der Bevölkerung auch als ethnische Polen. Dadurch war der Wunsch zu einem „Polen der Polen“ ohne nationale Minderheiten beim Wiedererstehen Polens nach dem Zweiten Weltkrieg groß. Man fürchtete sich vor der „5. Kolonne“ nationaler Minderheiten. 

In Masuren leben heute die aus den einstigen polnischen Ostgebieten während der sogenannten Aktion „W“ in den Norden der Wojwodschaft zwangsumgesiedelte ukrainische Bevölkerung. Sie stellen heute mit etwa 45.000 Personen die zahlenmäßig stärkste Minderheit in Ermland und Masuren dar. Ferner siedelten an der Grenze zu Belarus etwa 4.000 bis 5.000 Belarussen. Auch leben im Gebiet der Wojwodschaft etwa 500 Roma. 

Die deutsche Minderheit ist mit ca. 12.000 Mitgliedern heute nur noch die zweitstärkste Gruppe der Minderheiten in der Wojwodschaft. Die repressive Politik des Staates und der Versuch der Polonisierung der alteingesessenen Bevölkerung zwischen 1945 und 1989 sollte zu einer ethnischen Homogenisierung der Region führen. 

Man betrachtete das Gebiet nach 1945 als eines der „wiedergewonnenen Gebiete“, die doch „urpolnisch“ waren. Doch behandelte man die Einwohner nicht als endlich wieder in die Arme der Nation geschlossene Bürger. Diese Politik misslang gründlich. Hatten Jahrhunderte völkischer und nationalsozialistischer Bestrebungen nicht zu einer völligen Germanisierung mit ausschließlicher Nutzung der deutschen Sprache geführt, brauchte die kommunistische polnische Regierung dazu nur wenige Jahre. Der Druck ließ kaum nach und so wurde es eine Abstimmung mit den Füßen. Das Gros der noch in der Heimat lebenden 120.000 Ermländer und Masuren verließ die Heimat, nur 10% blieben in Polen.

Urlaubsparadies Masuren – Kulturlandschaft, Erholungsregion und Naturparadies

Die im Nordosten Polens gelegene Urlaubsregion Ermland-Masuren (Warmia i Mazury) bietet mit ihren kristallklaren Seen, dichten Wäldern und ihrem reichen historischen Erbe Reisenden ideale Voraussetzungen für einen traumhaften, erlebnisreichen Urlaub in unberührter Natur. Was man gesehen haben sollte? 
Natürlich die zahlreichen kleineren versteckt hinter Wäldern silbern durchschimmernden Seen und die einem Meer gleichenden großen Seen, die riesigen Forsten der Johannisburger Heide (Puszcza Piska), die Ruhe und die reiche Unterwasserwelt der Krutynia, dem Fluss mit dem kristallklaren Wasser bei einer Stakenfahrt oder einer Kanutour. Oder wie wäre es mit einer Dampferfahr auf dem masurischen Meer, dem Spirdingsee (jez. Śniardwy). Da gäbe es noch so vieles, was man auf einer Masurenreise wie "Polens Nordosten zum Kennenlernen" entdecken kann! Auch Kulturdenkmäler erster Güte können Masurenurlauber genießen. Das beginnt schon auf der Anreise in Danzig mit seiner traumhaft restaurierten Altstadt, mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Unweit von Danzig beginnt die Kaschubei, die durch den Roman „Die Blechtrommel“ von Günter Grass bekannt wurde. 

Direkt an der Ostsee östlich von Danzig befindet sich das einstige KZ Stutthof, das schon bevor Danzig 1939 beim beginnenden Krieg gegen Polen eingenommen war von der SS-Heimwehr errichtet wurde. Die 1944 errichtete Gaskammer lässt wohl jeden Besucher erschauern. Von Stutthof ging eines der letzten großen Massenmordverbrechen aus. Nach einem Todesmarsch vor allem jüdischer Frauen nach Palmnicken, dem heutigen Jantarnij in Russland, wurden am 30. Januar diejenigen Frauen, die noch nicht erfroren waren in die Ostsee getrieben und zu Tausenden erschossen.   

Ein Ausflug zum Ordensschloss in Heilsberg (Lidzbark Warminski) ist eine Reise in die Geschichte des Deutschordensstaates und eines berühmten Forschers. Nikolaus Kopernicus war in Heilsberg für seinen Onkel den ermländischen Fürstbischof Lukas Watzenrode tätig. Weiter auf den Spuren von Kopernicus kann man noch nach Frauenburg (Frombork) am Frischen Haff fahren. Dort war die Hauptschaffenszeit seiner Forschungen, dort entdeckte er, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Auch im Zeichen von Kopernicus steht die Wojwodschaftshauptstadt Allenstein (Olsztyn). Im dortigen Schloss findet sich ein interessantes Zeichen der Arbeit von Kopernicus, wo seine Berechnungen zur Tag-Nachtgleiche an einer Schlosswand erhalten blieb.

Ein schöner Abschluss für eine Reise durch Masuren ist ein Besuch in Thorn (Toruń), der Lebkuchenstadt an der Weichsel und tatsächlich liegt immer ein Hauch von Lebkuchen über der Stadt, denn die berühmten „Thorner Katrinchen“ gibt es hier nicht nur zu Weihnachten, sondern das ganz Jahr über. Wie sie hergestellt werden, kann man im Lebkuchenmuseum ansehen. Doch auch in Thorn wandelt man in der prächtigen Altstadt fast immer auch auf den Spuren von Kopernicus.