Der Kemeri-Nationalpark

Der küstennahe Kemeri Nationalpark (let. Ķemeru nacionālais parks) erstreckt sich in Lettland zwischen Jūrmala und der Lielupe bis hin nach Tukums von der Rigaer Bucht ausgehend ins Landesinnere. Der 1997 gegründete Nationalpark umfasst eine Fläche von 38.165 ha und ist damit nach dem Gauja-NP und dem Razna-NP der drittgrößte lettische Nationalpark. Da das Schutzgebiet nur eine knappe halbe Autostunde von Riga entfernt liegt, ist er mit seinen vielfältigen Landschaften auch ein favorisiertes Naherholungsgebiet für die Einwohner der lettischen Hauptstadt.

Kemeri der Badeort mit den Heilquellen

Benannt wurde der Park nach Kemeri (dt. Kemmern), einem schon zur Zarenzeit bekannten und beliebten Badeort, der heute ein Stadtteil von Jūrmala ist. Der Aufstieg von Kemeri zum Kurort begann daher schon Anfang des 19. Jahrhunderts, als eine chemische Untersuchung in St. Petersburg die heilende Wirkung der Ingredienzien des Wassers aus der Schwefelwasserquelle bestätigte.

So wurde bereits 1838 die erste staatliche Badeanstalt auf dem Gelände errichtet, das Zar Nikolai I. für den Bau einer Mineralwasserheilanstalt bewilligt hatte. Daher gilt 1838 als Gründungsjahr des Kurortes Kemeri. Der Badeort, der auch Moorpackungen und Bäder anbot, blühte rasch auf und erfreute sich bald so großer Beliebtheit, dass der bereits 1877 erbaute Bahnhof im Jahr 1912 an eine Direktverbindung von Moskau nach Kemeri angeschlossen wurde. Auch ein Kurpark wurde Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt, mit malerischen aus dem Fluss Vēršupīte gespeisten Kanälen mit Brücken, dazu lauschigen Pavillons. Mittelpunkt des Parks ist die Schwefelwasserquelle „Eidechse“. Der beliebteste Pavillon befindet sich auf der Liebesinsel. Die Kämpfe an der Ostfront des 1. Weltkriegs kamen Kemeri sehr nahe und zerstörten den Kurort, der nach dem Krieg wiederaufgebaut wurde und bis zum Zweiten Weltkrieg ebenfalls als einer der beliebtesten Badeorte der Bürger Rigas galt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Kemeri ein angesagter Bade- und Kurort, der ab 1959 von Jūrmala eingemeindet wurde. Erst mit dem Ende der Sowjetunion und dem Beginn der Reisefreiheit mit der Unabhängigkeit Lettlands, begann die Bedeutung von Kemeri rasch abzunehmen.

Vielfältiger Kemeri-Nationalpark

Den größten Teil der Nationalparkfläche nehmen Wälder ein, in Küstennähe finden sich vor allem Sandböden mit Kieferbewuchs. Auf rund einem Viertel der geschützten Flächen erstrecken sich zudem Sumpflandschaften, wie das große Kemeri-Moor, einem Regenhochmoor, an dessen Rändern es viele verschiedene und zum Teil seltene Orchideenarten zu bewundern gibt. Auch Spuren menschlicher Eingriffe und wie die Natur sich ehemals genutztes Land zurückerobert, können hier beobachtet werden, denn zum Torfabbau entwässerte man die Sumpfflächen einst. In den Jahren 2005 und 2006 wurden unter Mithilfe der EU Projekte auf den Weg gebracht, um frühere Moorentwässerungen und Flussbegradigungen wieder rückgängig zu machen.

Zum Nationalpark gehören weitere vielfältige Landschaften, wie der Kanieris-See und der Slokas-See mit seinen im Uferbereich seltenen Baumarten. In den Flüssen und Bächen finden sich seltene Flussschnecken und Süßwassermuscheln. Schwarzstörche, Schreiadler, Fischotter und Wasserfledermäuse haben sich hier ebenfalls Lebensräume erhalten können. An der Vēršupīte gibt es zudem feuchte Laubwälder und gleich mehrere Schwefelquellen.

Sumpf-Wolfsmilch, Bärlauch und verschieden Orchideenarten kann der botanisch Interessierte hier entdecken. 202 Moos-, 119 Flechten- und sage und schreibe mehr als 500 Pilzarten kommen im Nationalpark vor. Und: 25 Prozent aller in Lettland geführten Rote-Liste-Pflanzenarten wachsen hier. In den Mooren und Wäldern leben außerdem Elche, Rothirsche und Wölfe. Naturlehrpfade leiten den Besucher durch das Gebiet, von Beobachtungstürmen lassen sich Vögel erspähen oder einfach nur grandiose Ausblicke in die einmalige Landschaft genießen.

Doch nicht nur intakte Natur findet sich im Kemeri-Nationalpark, auch der Zweite Weltkrieg hat hier seine Kampf- und Befestigungsspuren hinterlassen, als hier 1944 ein schmaler Korridor zur Verbindung zwischen der Heeresgruppe Nord und der Heeresgruppe Mitte stark umkämpft war.

Vogelbeobachtung im Nationalpark

Der Kemeri-Nationalpark gehört zur Drehscheibe des Vogelzugs an der Rigaer Bucht und ist ideal für Vogelbeobachtungen geeignet, am besten auf einer ornithologisch geführten Tour wie bei der Kleingruppenreise „Die Vogelwelt Lettlands“. Gut 260 der 342 in Lettland nachgewiesenen Vogelarten sind im Kemeri-Nationalpark zu finden. Darunter auch viele seltene und geschützte Vogelarten, die hier brüten oder während der Zugzeiten rasten. Vor allem unzählige Gänse und Kraniche finden sich hier auf dem Zug im Frühjahr und Herbst ein.

Im Nationalparkmuseum in Kemeri erhalten Sie Informationen über alle möglichen Aktivitäten im Reservat. Uhus, Seeadler, Kraniche und sogar Schwarzstörche können im Gebiet beobachtet werden. Vor allem in den Verlandungs-, Schilf- und Binsengebieten der Süßwasserflachseen kann der Besucher zahlreiche Sperlingsvögel, Seeschwalben- Entenarten und Taucher entdecken. Der Nationalpark ist dafür bekannt, die höchste Dichte an Entenvögeln und Spechten in Lettland zu beherbergen. Mit etwas Glück und der nötigen Artkenntnis lassen sich sogar Regenbrachvögel, Uhus, Zwergschnäpper und Doppelschnepfe beobachten.