Mittsommer in Estland und Lettland

Mittsommer, das einzige große Sommerfest kennt man im westlichen Europa hauptsächlich aus Skandinavien, besonders aus Schweden. Es ist die Zeit der magischen, hellen Nächte, in denen es nicht dunkel werden mag, in denen Tag und Nacht sich treffen.

Die Verehrung der Sonne und des Lichts als Leben und Wärme spendend gab es schon in urgeschichtlicher Zeit. Früh war auch bekannt, dass die Tage nun wieder kürzer werden, daher war die Sommersonnenwende auch mit dem Erinnern an die Vergänglichkeit verbunden.

Schon zu heidnischen Zeiten war Mittsommer mit der Sommersonnenwende gleichzusetzen und ein Feiertag. Im 4. Jh. n. Chr. wurde der heidnische Brauch die Sommersonnenwende zu feiern, von der Kirche mit den Feiern zu Ehren für den Johannes den Täufer überlagert und nun Johannistag genannt. Viele Bräuche konnten von den Sonnwendfeiern von der Kirche so eins zu eins übernommen werden.

Mittsommer in Estland

Estland liegt von allen Ländern des Baltikums am weitesten im Norden, und steht damit dem nördlichen Wendekreis der Sonne am nächsten. So hat auch Estland zur Zeit der Sommersonnenwende seine „Weißen Nächte“, in denen es kaum dunkel wird und die Sonne 19 Stunden scheint. Auch in Estland hat das Mitsommerfest viel mit dem Johannistag und den entsprechenden Sitten und Gebräuchen zu tun. Deshalb heißt es auf Estnisch auch „Jaanipäev“ und findet immer am 24. Juni statt. Die große Feier der Johannisnacht „Jaanilaupäev“ beginnt am Abend des 23. Juni und endet erst am folgenden Johannistag. Mittsommer ist der wichtigste und populärste Feiertag in Estland. Traditionell ist der Tag nach dem Beginn des Fests der Beginn der Heuernte.

Brauchtum an Jaanipäev

Zentrales Element aller Mittsommerfeste in Estland ist das Feuer, ob es beim Treffen mit Familien und Freunden im Garten zum Grillfest, bei einem großen Waldpicknickfest, oder den Dorf- und Stadtfesten mit Musik und riesigen Feuern ist. Das Sommersonnenwendfest im Estland wird von vielen alten Traditionen begleitet, hinter denen tiefe symbolische Bedeutungen stecken.

Überall im Land wird beizeiten Holz für große Feuer gesammelt, denn beim Johannisfest sind die großen Feuer die Hauptelemente. Sie werden vor Sonnenuntergang entzündet. Am Feuer wird gesungen und Märchen werden erzählt. Es wird ums Feuer herum getanzt, denn das wehrt Dämonen ab, verscheucht alles Böse und Krankheiten, schützt vor Viehschäden und hilft sogar gegen Missbildungen bei Kindern. Manchmal werden auch Strohpuppen verbrannt, die gegen Hagelschäden schützen. In einigen Gegenden wird mit Fackeln um das Feuer gelaufen, in anderen wird ein Rad um das Feuer gewälzt. Ist das Feuer herunter gebrannt, schlägt die Stunde der mutigen jungen Leute, denn durchs Feuer zu springen, lässt in der Zukunft Reichtum erhoffen. In manchen Regionen ist das Springen durchs Feuer Hand in Hand mit der Geliebten so etwas wie ein Versprechen. Überhaupt ist die Liebe wichtig beim Johannisfeuer. Junge Verliebte gehen in den Wald und suchen die junge Farnblüte, die Ihnen Glück bringen soll. Diese Farnblüte nämlich öffnet sich um Mitternacht in der Mittsommernacht nur ganz kurz, und sie kann nur von Liebenden entdeckt werden.

Nicht nur der Wald, die ganze Natur ist wichtig am Johannisfest. Wiesenblumen und Gräser nämlich haben zur Zeit der Sonnenwende magische Kräfte.

Junge Frauen sollten acht verschieden Sorten Blumen sammeln, zu Blumenkränzen flechten und sie über Nacht unter das Kopfkissen legen. Dann wird ihnen im Traum ihr zukünftiger Ehemann erscheinen.

 

Mittsommer und die estnische Tracht

Beim Mittsommerfest wird in Estland gern Tracht getragen. Es gibt viele regionalen Varianten. Grundsätzlich aber besteht die estnische Tracht aus einem schwarzen Wickelrock mit rotem Besatz. der aus gewebten Stoffen gefertigt ist. Über dem Rock wird eine mit rotem Band eingefasste grüne Schürze getragen. Darüber kommt ein mit Sonnenmustern besticktes Fransentuch, das in das Band der Schürze gesteckt wird. Die gewebten Trachtenbänder ähneln sehr den aus Nordostpreußen bekannten Jostenbändern. Dazu gehört ein schwarzer Mulgimantel mit rotem Besatz. Er sowohl von Frauen als auch von Männern getragen. Dazu werden lederne Bundschuhe getragen, die von einem Riemen gehalten werden.

Jani - Lettlands Mittsommerfest

Wie in Estland ist auch in Lettland Mittsommer das populärste Fest und gleichfalls wie in Estland sind die beiden Tage 23. und 24. Juni Feiertage im Land. Über die Jahrtausende hat sich nur der Name des Festes geändert, denn seit Lettland vor 825 Jahren mit der Christianisierung Lettland begonnen wurde, heißt es Jani – Johannisfest. Der Inhalt, die uralten Sitten und Bräuche allerdings haben so gut wie nichts mit Christlichem zu tun. Die Letten sind stolz auf ihre ganz eigenen Bräuche und geben sie von Generation zu Generation weiter.

Das Jani-Brauchtum in Lettland

Mittsommer - oder Jani - findet auf dem Land statt. Alle Letten fahren aufs Land, entweder zu den öffentlichen großen Feiern, oder um privat im Familien- oder Freundeskreis zu feiern. Traditionell gibt es in dieser Nacht Kümmelkäse und Bier, lettisches Bier natürlich. Die größte öffentliche Feier, bei der Urlauber am meisten über lettische Kultur erfährt, findet in Zoseni bei Cesis statt. Am Abend des 23. Juni werden vor dem Sonnenuntergang die Johannisfeuer angezündet, in dieser Nacht wird niemand schlafen in Lettland, aber das würde nach der alten lettischen Mythologie auch nur Unglück bringen.

Es wird viel gesungen und die Frauen flechten dabei Kränze, wie sie in dieser Zeit überall hängen. Die Blumen und Blätter der Kränze sollen das Unglück abhalten. Auch Frauen tragen Blumenkränze, besonders solche mit Margeriten, die Kraft bringen, junge Männer tragen Eichenblattblätterkränze. Die jungen Paare strömen wie in Estland in den Wald um dort die Farnblüte um Mitternacht nicht zu verpassen. Es sind besondere Gesänge, die überall in Lettland die ganze Nacht über zu hören sind, spezielle Dainas nur für Jani, deren Refrain mit līgo, līgo beginnt.

Das Johannesfeuer gilt als wichtig für Fruchtbarkeit und Gesundheit, zudem vertreibt es alles Übel. Und wenn die Feuer langsam niedergebrannt sind, springen junge Paare über das Feuer. Mythisches, Magisches liegt in der Nacht, auch wenn niemand die Farnblüte je sah. Doch immerhin steigt die Zahl der Geburten im März immer stark an.

Trachtenvielfalt in Lettland

Auch in Lettland wird zu dieser Gelegenheit gern Tracht getragen, das kulturelle lettische Erbe zeigt sich zum Johannisfest quicklebendig. Die Frauen tragen ein langärmeliges weißes Leinenhemd, das gleichzeitig Unterrock ist. Darüber kommt ein Rock mit einem kunstvoll gewebten Gürtelband. Darüber wird das große und prächtig bestickte Umhängetuch getragen. Je nach Region – die Farben und Formen der lettischen Trachten sind sehr vielfältig – ziert den Kopf ein Kranz oder ein verziertes Stirnband, zuweilen auch ein großes Kopftuch. Die Männer tragen ein dem der Frauen sehr ähnliches weißes Tunikahemd, Mäntel und Hosen dazu waren meist grau oder schwarz. Hosen gibt es als lange Hosen oder als Kniehosen, zu denen dann weiße Wollstrümpfe getragen werden.