Lennart Meri

Schon beim Anflug auf Tallinn werden Reisende dem Namen Lennart Meri (1929-2006) begegnen, denn seit dem 29. März 2009 trägt der internationale Flughafen der Republik Estland den Namen „Lennart Meri“, benannt nach dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1991. Sein Vorgänger im Amt Arnold Rüütel war vor der Wiedererlangung der Souveränität Vorsitzender des Obersten Rates und amtierte als Staatspräsident bis zur Präsidentenwahl im Oktober 1992 weiter. Wer aber war dieser Lennart Mari, der so prägend für Estlands Weg in die Westintegration war?

Lennart Meris frühe Jahre

Lennart Meri wurde am 29. März 1929 in Tallinn geboren. Sein Vater Georg Meri war während der Zwischenkriegszeit Diplomat der estnischen Republik. Die Familie Meri kam entsprechend viel herum und der junge Lennart besuchte neun Schulen mit vier verschiedenen Unterrichtssprachen, so beherrschte er neben seiner Muttersprache Estnisch noch Finnisch, Deutsch, Russisch, Latein und Englisch und war ein polyglottes Kind.

„Englisch spricht heute jeder.
Ein kultivierter Mensch spricht aber auch Deutsch!“

Vertrieben wie viele Esten, Letten und Litauer

Doch das Schicksal wollte es, dass die Familie Meri gerade in Estland war, als die Sowjetunion Estlands Souveränität im Juni 1940 beendete. Als Angehörige der estnischen Intelligenz, wurde auch die Familie Meri wie viele Esten nach Sibirien deportiert. Die Familie wurde vom Vater getrennt, der in ein Lager verschleppt wurde, die Familie war sich selbst überlassen. Der zwölfjährige Lennart verdingte sich in allen möglichen Jobs vom Kartoffelschäler über den Flussschiffer bis hin zum Holzfäller und half so seiner Familie zu überleben. Nebenher nutze Lennart Meri die Zeit in der Verbannung zum Studieren der finno-ugrischen Sprachfamilie, zu der neben der estnischen und finnischen auch die ungarische Sprache sowie einige Sprachen Sibiriens gehören. Dieses Interesse sollte lebenslang einen breiten Raum in seinem wissenschaftlichen und schriftstellerischen Schaffen einnehmen und war ein Überlebensanker in der schweren Deportationszeit, die von der ganzen Familie überstanden wurde, bis sie nach Estland zurückkehren konnte.

Lennart Meri - Schriftsteller, Wissenschaftler und Intellektueller

Lennart Meri studierte in Tartu Geschichte und Sprachwissenschaft, das Studium schloss er 1953 ab. Im immer noch sowjetischen Estland durfte Meri nicht als Historiker arbeiten und wurde Dramatiker am Vanemuine-Theater der estnischen Universitätsstadt und später Hörspiel- und Filmproduzent für den estnischen Rundfunk. Seine Arbeiten fanden bald breite Beachtung und positive Rezensionen von Kritikern.

Lennart Meri war mit einem gut 20 Jahre währenden Ausreiseverbot von den sowjetischen Behörden belegt. Was er aber durfte, war das Reisen innerhalb der riesigen Sowjetunion. Nach dem Motto „Moskau ist weit“ waren Reisen in abgelegene Gebiete und freies Treffen mit den dort lebenden Menschen die kleine Freiheit, die manche Intellektuelle aus dem ganzen Ostblock als einzige unkontrollierte Reisemöglichkeit nutzten, so auch Lennart Meri, der über seine Reisen vielbeachtete Bücher schrieb. Sein erstes Buch erschien bereits 1958 über die zentralasiatische Karakumwüste und das Tianshangebirge. Seit 1963 war Meri Mitglied des estnischen Schriftstellerverbands. In den 1960er Jahren begleitete er eine Expeditionsreise nach Kamtschatka und verfasste auch darüber 1964 ein Buch. Auch über seine Reise zur Nordostpassage schrieb er ein Buch mit dem Titel „Virmaliste Väraval“, das 1974 zu einem Bestseller in der Sowjetunion wurde und 1977 auch in finnischer Übersetzung erschien. Meri verknüpft darin die Gegenwart mit der Geschichte der Region und der der großen Entdecker. Sein bekanntestes Werk aber dürfte das 1976 unter dem Titel „Hõbevalge“ erschienene Werk, das die Geschichte Estlands im Ostseeraum darstellt. Weiterhin veröffentlichte Lennart Meri viele Essays und auch Filme wie die internationale Produktion „Die Winde der Milchstraße“. Zwar wurde dieser Film in der Sowjetunion nie gezeigt, doch gewann er internationale Preise. Lennart Meris Werke wurden in finnischen Schulen als Unterrichtsmaterial verwendet. Er erhielt 1986 die Ehrendoktorwürde der finnischen Universität Helsinki.

Der Politiker Meri - Motor der baltischen Westintegration

Nach den 20 Jahren des Ausreiseverbots durfte Meri Ende der 1970er Jahre erstmals eine Auslandsreise antreten. Er bemerkte schnell, dass Anträge für Auslandsreisen am ehesten ins neutrale Finnland genehmigt wurden. Dort nutzte er jede Gelegenheit auf die Existenz nicht nur Estlands, sondern aller drei baltischen Ländern hinzuweisen und klarzumachen, dass sie nicht freiwillig ein Teil der Sowjetunion waren. So hatte er bald viele Kontakte zu Journalisten, Wissenschaftlern und Politikern, dazu mit vielen Exil-Esten. Auch für die Umweltprobleme seines Heimatlandes fand Lennart Meri immer offenen Ohren, wie für den geplanten riesigen Phosphatabbau, der ein Drittel des Landes zu einer unbewohnbaren Industriebrache gemacht hätte. Die entstehende Umweltbewegung in Estland konnte so bald internationaler Unterstützung sicher sein. Was als Umweltbewegung begann, wuchs bald zu einer politischen Widerstandsbewegung gegen die sowjetische Herrschaft an.

In Estland hatte Meri bereits in Zeiten des sowjetischen Machtverfalls 1989 das unabhängige Estnische Institut gegründet, dessen Ziel kulturelle Begegnungen und studentischer Austausch mit westlichen Ländern war. Während des Loslösungsprozesses der baltischen Länder aus der Sowjetunion war das Institut immer mehr mit den existenziellen Problemen der estnischen Nation und dem Unabhängigkeitsstreben befasst und wurde politischer. So wurde es später nicht nur als Vorgänger des Estnischen Kulturinstituts betrachtet, sondern ob der ausgezeichneten Verbindungen in die Welt hinaus als Vorläufer des Außenministeriums Estlands. Lennart Meri selbst war Gründungsmitglied der estnischen Volksfront und dort besonders mit der Zusammenarbeit der Unabhängigkeitsbewegungen in den baltischen Nachbarländern betraut.

Während die Sowjetunion an Auflösungserscheinungen litt, war Lennart Meri unablässig damit beschäftigt, seinen vielen internationalen Kontakten eine rasche Westintegration der drei baltischen Ländern schmackhaft zu machen, ohne die Sowjetunion zu sehr zu beunruhigen. Es gelang ihm, Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse der Baltenrepubliken zu finden und die NATO an einem Sicherheitskonzept zu interessieren.

So ist es kein Wunder, dass Meri nach den ersten freien Parlamentswahlen erster Außenminister des unabhängigen Estlands wurde. Er war prädestiniert dazu ob seiner Kontakte und er war dazu fähig, Interesse für Estland zu wecken – Meri war ein wichtiger Gesprächspartner bei mehreren KSZE-Konferenzen und lernte dort die einflussreichsten westlichen Politiker kennen. Nach einem kurzen Intermezzo als Botschafter in Finnland wurde Lennart Meri 1992 zum Präsidenten Estlands gewählt. Im Jahr 1996 wurde Meri zu seiner zweiten und wie in der Verfassung vorgesehen letzten Amtszeit wiedergewählt.

Auch der EU-Beitritt Estlands im Jahr 2004 wurde zu einer Erfolgsgeschichte, Estland gehört inzwischen zur Eurozone und ist eines der führenden EU-Länder im Bereich Digitalisierung. An all dem hat Lennart Meri großen Anteil. Er war prägend für sein Land in der wichtigen Phase des Übergangs in die Unabhängigkeit, die Westintegration und den Weg wirtschaftlicher Transformation.

Am 14. März 2006 starb Lennart Meri in seiner Heimatstadt Tallinn.

BALTIKUMREISEN bietet Reisenden gern Gruppenreisen mit dem Themenschwerpunkt Lennart Meri und seinen Wirkungsstätten, gern auch in Kombination mit der Epoche der ersten Jahre nach Estlands Wiedererlangung der Unabhängigkeit. Nehmen Sie bei Interessen bitte über info(at)baltikumreisen.de Kontakt mit uns auf.