Kaunas – junge Universitätsstadt mit Geschichte
Das fällt dem Besucher sofort ins Auge: Kaunas, die zweitgrößte Stadt Litauens ist eine junge Stadt. Rund 58.000 der insgesamt 340.000 Einwohner der Stadt sind Studenten an einer der fünf Universitäten oder zahlreichen Fachhochschulen.
Kaunas, die europäische Kulturhauptstadt Europas 2022, ist zentral und sehr verkehrsgünstig am Schnittpunkt der großen Fernverbindungen gelegen. Die „Via Baltica“, die Europastraße 67, führt von Warschau nach Osten und dann weiter in nördliche Richtung durch das ganze Baltikum bis nach Tallinn und weiter nach Helsinki. Von Osten nach Westen führt eine Autobahn von Klaipeda (Memel) nach Vilnius und weiter über Minsk bis nach Moskau. Früher von großer Bedeutung war auch, dass Kaunas am Zusammenfluss von Nemunas (Memel) und Neris (Wilia) lag, was den Zugang zum Ostseehandel bedeutete. Diese Lage machte die Stadt schon früh zu einem Handelszentrum und Hanse-Mitglied. Kaunas ist in eine ausgesprochen schöne Landschaft eingebettet, deren Highlight das Kaunasser Meer (Kauno merios) ist, ein 25 Kilometer langer Stausee. Dieses Freizeitparadies der Stadt bietet Einwohnern und Besuchern jede Menge Wassersportmöglichkeiten.
Geschichte der einstigen litauischen Hauptstadt
Urkundlich erstmals erwähnt wurde 1361 eine litauische Burg genau dort, wo der Neris in die Nemunas mündet. Sie stand lange Jahre im Zentrum der Auseinandersetzungen des Deutschen Ordens und den Litauern um die Landverbindung der Ordensterritorien zu Livland, denn sie war das größte Hindernis. Erst nach der Ordensniederlage gegen die vereinten polnisch-litauischen Heere in der Schlacht von Tannenberg 1410 herrschte hier Frieden. Die Ortschaft, die sich um die Festung gebildet hatte, und 1408 die Stadtrechte erhielt, wuchs zu einer bedeutenden Handelsstadt im Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen heran, die seit 1440 zur Hanse gehörte. Kaunas wurde ab dem 16. Jahrhundert auch zu einem bedeutenden Zentrum jüdischen Lebens in Litauen. An den um 1900 in Kaunas lebenden 37% jüdischen Teil der Stadtbevölkerung erinnert heute nur noch die Choral-Synagoge, die als einziges jüdisches Bauwerk nach dem Inferno des Holocaust erhalten geblieben ist.
Von schweren Zeiten wurde auch Kaunas nicht verschont, denn besonders im 17. und 18. Jahrhundert trafen die Stadt kriegerische Auseinandersetzungen mit Russland und Schweden, die zu Besetzungen und großen Schäden führten. Brände zerstörten weite Teile der Stadt, und auch die Pest verschonte Kaunas nicht.
Mit der Dritten Polnischen Teilung 1795 fiel Kaunas an Russland und wurde 1831 zur Hauptstadt des russischen Generalgouvernements Kowno, wie die Stadt nun hieß. Ab 1879 begann das Zarenreich Kaunas zur Festung auszubauen und mit einem Ring von am Ende acht Forts und neun Artilleriestellungen auszustatten. Bei der 1912 begonnenen weiteren Ausdehnung der Verteidigungsanlagen wurde ein neuntes Fort fertiggestellt. Doch nützte all das nicht viel, denn 1915 besetzten deutsche Truppen die Stadt. Nachdem Litauen am Ende des 1. Weltkriegs unabhängig wurde, folgte 1920 der polnisch-litauische Krieg, der zur Besetzung und Annektion des Gebiets um die Hauptstadt Vilnius durch Polen führte. So wurde Kaunas 1920-1940 zur litauischen Hauptstadt. Die Rote Armee besetzte Litauen und damit auch Kaunas 1940 und deportierte große Teile der litauischen Elite. Im Jahr 1941 okkupierte die deutsche Wehrmacht Litauen und ermordete unzählige Juden auf den Straßen von Kaunas. Diejenigen Juden, die dies überlebten, wurden ins neu geschaffene Ghetto Slobodka deportiert und dann im Fort IX der Stadtbefestigung ermordet.
Viele Litauer flohen aus Kaunas in den Westen, als 1944 die Rote Armee anrückte. Kaunas gehörte von da an zur litauischen Sowjetrepublik. Nach der singenden Revolution und der Unabhängigkeit Litauens 1990 ist Kaunas heute Kulturmetropole des Landes und ein wichtiger Bildungs- und Industriestandort.
Stadtbild und Sehenswürdigkeiten
Ein Besuch in Kaunas, wie ihn die Individualreise „Litauen zum Kennenlernen“ bietet, lohnt allemal, denn Kaunas ist eine ausgesprochen schöne Stadt. Wer sich zunächst einen Überblick über Kaunas verschaffen möchte, fährt mit der Drahtseilbahn den Aleksotas-Hügel hinauf und genießt den grandiosen Blick über die Stadt. Die Aleksotas-Standseilbahn wurde 1935 im gleichnamigen Stadtteil am linken Flussufer des Nemunas eröffnet und gilt als Europas älteste Standseilbahn.
Am Stadtrand liegt im Osten das Kaunasser Meer, das wichtigste Naherholungsgebiet der Stadt. Der See ist durch das Aufstauen des Nemunas entstanden. Doch nicht nur Erholung, Strandleben und Wassersport sind dort angesagt. Dort lohnt der Besuch des Kamaldulenser-Klosters Pažaislis aus dem 17. Jahrhundert, das als einer der schönsten sakralen Barockbauten Litauens gilt. Ebenfalls am Seeufer liegt in Rumsiskis das sehenswerte Litauische Freilichtmuseum, das eines der größten Europas ist. Vier Dörfer wurden hier wieder aufgebaut und mit weiteren Einzelbauten ergänzt. So warten heute Wohnhäuser, Stallungen und Scheunen, eine alte Holzkirche, sowie Windmühlen und Handwerksbetriebe auf Besucher. Die Gebäude stammen aus fast allen Regionen Litauens.
Ein Muss für einen Kaunas-Besuch ist natürlich Litauens älteste Steinburg, die sich auf einer Landzunge am Zusammenfluss von Neris und Nemunas befindet und zum Teil wieder aufgebaut und restauriert ist. Dort informiert das Burgmuseum mit wechselnden Ausstellungen über die Burggeschichte.
Von der Burg aus erstreckt sich das Stadtzentrum mit der Altstadt am Nemunas entlang nach Osten. Auf über 1.600 Metern Länge wird die im 19. Jahrhundert entstandene Neustadt mit der Altstadt durch die Laisvės alėja (Freiheitsallee) verbunden. Diese längste Nichtraucher-Fußgängerstraße Europas, ist ein von 577 Bäumen eingefasster Boulevard. Er gilt als Herz von Kaunas und ist die Flaniermeile der Einheimischen.
Die Kaunasser sehen ihre Heimatstadt – die frühere Landeshauptstadt – als kulturelle Hauptstadt Litauens und entsprechend viele Veranstaltungen, Museen und kleine Galerien gibt es in der Altstadt. Zentrum der Altstadt ist der Rathausplatz, der im 16. Jahrhundert entstand und von prächtig restaurierten Bürgerhäusern aus dem 16. bis 19. Jahrhundert umstanden ist. Das Rathaus selbst stammt aus dem 18. Jahrhundert und wird mit seinem 53 Meter hohen Turm „Weißer Schwan“ genannt. In den Kellerräumen ist das Keramikmuseum untergebracht.
Die Bauten der Altstadt sind trefflich restauriert und strahlen im alten Glanz. In ihrer Vielfalt zeigen sie alle Baustile von der Gotik über die Renaissance und den Barock bis hin zum Klassizismus des 19. Jahrhunderts. Prächtige Fassaden zieren die Häuser mal als typisches gotisches Handelshaus der Hansezeit mal als Barockpalais.
Kaunas wartet für Kulturinteressierte mit zahlreichen Museen auf. Das kurioseste Museum ist das Teufelsmuseum in der Putvinskio gatve, das mit 3.000 Darstellungen des Teufels aufwartet. Das 1921 gegründet Čiurlionis Kunstmuseum widmet sich der Kunst des wichtigsten litauischen Malers und Komponisten Mikalojus Konstantinas Čiurlionis (1875-1911). Besonders die Sammlung litauischer Volkskunst ist sehenswert.