Die ehemaligen deutschen Ostseebäder Rauschen und Cranz

Königsberg, das heutige Kaliningrad war vor dem Krieg mit rund 373.000 Einwohnern die größte Stadt Ostpreußens. Heute leben rund 470.000 Menschen in Kaliningrad und machen die Stadt zum urbanen Zentrum der Verwaltungseinheit der Kaliningrader Oblast, einer an die EU-Länder Polen und Litauen grenzenden russischen Exklave. Besonders attraktiv macht die Stadt ihre Lage an Seekanal und Frischem Haff als Tor zum Samland und unweit der wildromantischen Samlandküste mit dem Seebad Rauschen (Svetlogorsk) und dem Badeort Cranz (Selenogradsk), dem Tor zur Kurischen Nehrung.

Die Badewannen der Königsberger

Die beiden jeweils nur 30-35 km von der Stadt entfernten Seebäder wurden auch die „Badewannen“ der Königsberger genannt, die mit der Bahn schnell erreichbar waren. Besonders abwechslungsreich war Rauschen mit der Steilküste und den tiefen wildromantischen Schluchten. Dort gab es einst sogar eine Skisprungschanze. Nach dem Krieg zu sowjetischen Zeiten wurde der nun Svetlogorsk genannte Bade- und Luftkurort zum besonders bei der Parteiprominenz beliebten „Sotchi des Nordens“. Cranz hingegen war einst der Treffpunkt der Königsberger „besseren Gesellschaft“ und ein mondänes Seebad, das Zoppot (Sopot) kaum nachstand. Dass man auch dort in der Neuzeit mit ihren Problemen angekommen ist, merkt man an den schmäler gewordenen Stränden. Auch diese Region wird von Klimaveränderungen, Erosionen und Sturmhäufungen getroffen, die immer mehr Sand abtragen.

Rauschen (Svetlogorsk) an der Samlandküste

Der Ort an der Nordküste des Samlands wurde 1258 als Rusemoter erstmals erwähnt. Noch immer ist an den inzwischen modernisierten und umgebauten großen Kurhotels die Vergangenheit als sowjetischer Badeort für die Nomenklatura zu erkennen. Heute ist Svetlogorsk ein weltoffenes Seebad in traumhafter landschaftlicher Umgebung. Viele der alten herrschaftlichen Villen im Kiefernwald sind bis heute erhalten und wurden restauriert, neue Villen wurden dazu gebaut.

Auch die Sanatorien, Hotels und Restaurants, sowie der Park mit dem Teich um das Kurzentrum am alten Rauschener Wasserturm sind wieder instandgesetzt. So ist das Flair des alten Bade- und Luftkurorts des Großbürgertums, in dem Prominente wie Käte Kollwitz, Thomas Mann, Hermann Sudermann oder Ernst Wichert die Sommerfrische genossen, noch immer zu spüren.
Im Jahr 1912 wurde eine Drahtseilbahn installiert, damit die Badegäste bequem den Höhenunterschied von 43 m zwischen Ort und Strand überwinden konnten. Seepromenade und Strand sind heute über die breite, repräsentative Treppe oder über den Fahrstuhl sowie eine kleine Seilbahn im westlichen Bereich erreichbar.

Der Ort ist wie auch schon zu deutscher Zeit zweigeteilt. Die Einwohner leben in Svetlogorsk I, dem alten Rauschen-Ort. Strand- und Kurleben finden in Svetlogorsk II, dem einstigen Rauschen-Düne statt. Beide Ortsteile haben eigene Bahnhöfe und sind direkt per Bahn von Kaliningrad aus zu erreichen.

Cranz (Selenogradsk) – Das Tor zur Kurischen Nehrung

Das einst mondänere Seebad der Königsberger liegt an einer weiten Bucht, die einen schönen Blick bis zur Samlandküste im Westen und über die Kurische Nehrung im Nordosten bietet. Namensgeber für den Ort war das bereits 1282 vom Orden angelegte Wirtshaus „Crantzkrug“ als Versorgungsstation am Beginn der Heerstraße über die Kurische Nehrung. Als Dependance des Ordens wurde der Ort mehrfach von den Litauern angegriffen und schwer beschädigt. Aus Crantzkrug wurde Krantzkuhren und dieser Name blieb dem Ort bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Wirtshaus existierte als „Krug zum grünen Kranz“ noch bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Schon zum Beginn des 19. Jahrhunderts tummelten sich erste Badegäste am Strand und 1813 ließ König Friedrich Wilhelm III. dort ein Königliches Seebad errichten. Ein Warmbadehaus wurde im Jahr darauf errichtet. Im Jahr 1821 wurde das Große Logierhaus errichtet, das aber bereits 1835 abbrannte. Ein neues Logierhaus wurde am Corso wieder aufgebaut.

Erster prominenter Gast im Cranzer Kurhaus war Preußens König Friedrich Wilhelm IV. der dadurch die Tradition von Cranz als bevorzugte Sommerfrische des ostpreußischen Adels begründete. Mit dem Bau einer ersten Straße nach Königsberg 1852 und dem Eisenbahnanschluss 1885 wurde Cranz zum beliebten, leicht auch für einen Sonntagsausflug erreichbaren Badeort – im Volksmund „Badewanne der Königsberger“ genannt. Cranz hatte einen gegenüber Rauschen breiteren und flach abfallenden etwa 1,5 km langen Sandstrand mit einer oft imposanten Brandung.

Heute ist Svetlogorsk der bedeutendere Badeort, allein schon durch den im großen Stil betriebenen Kurbetrieb und den Ruf des „Sotchi des Nordens“ zu sein. Doch auch Selenogradsk hat seinen ganz eigenen Charme, vor allem dort, wo alte Bäderarchitektur erhalten werden konnte. Zwar ist der Strand auch hier schmaler geworden, besticht aber durch seinen puderzuckerfeinen Sand.

Sowohl die beiden Badeorte als auch den russischen Teil der Kurischen Nehrung entdecken Sie auf der Rundreise „Königsberger Gebiet – Kaliningrader Oblast“. Außerdem lernen Sie auf dieser Reise den ganzen, heute russischen und litauischen, nördlichen Teil des ehemaligen Ostpreußens kennen.

Die Kurische Nehrung - Russland kleinster Nationalpark

Nicht weit hinter dem nördlichen Ortsausgang von Cranz beginnt die 98 km lange Kurische Nehrung in Russlands kleinstem Nationalpark, der 1987 begründet wurde. Es ist diese unvergleichliche Landschaft, von der bereits 1809 der Gelehrte Wilhelm von Humboldt schwärmte, als er von seinen Reiseeindrücken an seine Frau Caroline schrieb: "Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie eigentlich ebenso gut als Spanien und Italien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll."

Kurz nach der Einfahrt in den Nationalpark beginnt auf dem schmalen Landstreifen der Kurischen Nehrung ein Landstrich der Superlative aus Wind, Wald, Sand und Meer. Im Westen die Ostsee mit Europas längstem Sandstrand dahinter, in der Mitte die Kiefernwälder mit der immer noch großenteils auf der Route des alten Postweges verlaufenden Straße und im Osten das Süßwasserhaff.

Sarkau, das heute Lesnoje heißt, ist der erste Ort auf der Nehrung und liegt genau dort, wo die Nehrung mit gerade 400 m am schmalsten ist und in der Geschichte mehrfach von der tobenden Ostsee durchbrochen wurde. Heute besteht der einstmals kleine Fischerort, in dem es immer familiär zuging, überwiegend aus Sommerdomizilen reicher Kaliningrader und einigen kleineren Hotels und Pensionen.

Kurz vor dem Abzweig nach Rossitten (Rybatschi) befindet sich rechts die 1901 von Pfarrer Johannes Thienemann gegründete Vogelwarte, deren Besichtigung man nicht versäumen sollte. Links der Nehrungsstraße erreicht man an einem Waldweg, wenn man am heutigen russischen Friedhof vorbeigeht, bald die Gräber Thienemanns und des Düneninspektors Wilhelm Franz Ephas auf dem einstigen Waldfriedhof von Rossitten. Im Ort Rossitten befindet sich das Verwaltungsgebäude der Vogelwarte. Früher diente der Bau als Gästehaus des Rossittener Kurhauses, das später zur Segelflugschule gehörte. Auch das benachbarte einstige Wohnhaus von Johannes Thienemann steht noch. Erhalten aus der Vorkriegszeit blieben weiter die alte Schule, die Backsteinkirche sowie das gegenüberstehende alte Pfarrhaus.

Bei Rossiten beginnt die Landschaft der hohen Dünen mit den aufgetürmten wüstenartigen Sandbergen, die ihre Gestalt und Oberflächenstruktur tagtäglich ändern, mal weiche, sanfte Sandmulden, mal vom Wind hart gewehte Rippen. Dazu die von den vorübereilenden Wolken verursachten atemberaubenden Lichtwechsel, die Generationen von Malern auf die schmale Landzunge zwischen Ostsee und Kurischem Haff zogen.

In Pillkoppen (Morskoje) befindet sich das interessante Nationalparkmuseum (Morsko Musei) Nationalnogo parka). Noch sind in Morskoje einige typische alte Fischerkaten erhalten, wie auch die alte Dorfkirche. Noch immer ist das Dorf am Haff die wohl ursprünglichste Nehrungssiedlung. Wie sehr die Wanderdünen die Dörfer der Nehrung bedrohten, kann man sehr anschaulich in Pillkoppen erahnen. Erst im letzten Moment gelang es dem Düneninspektor Epha 1887 die immer näher rückende Düne zu befestigen mittels ein es ausgeklügelten Systems von Pflanzungen verschiedener Gräser und Kiefern sowie Gittern zur Stabilisierung. Als so die Gefahr abgewendet war, wurde dem Retter zu Ehren der dem Ort so nahe gerückte Petschberg „Epha-Düne“ genannt.

Nur wenige Kilometer hinter Morskoje endet der russische Teil der Kurischen Nehrung an der Grenze zu Litauen bei Nidden (Nida).