Die Republik „Uzupis“ in Vilnius

Ein bisschen Kopenhagener Christiania, ein wenig Boheme vom Mont Martre, dazu Backpacker-Idylle und ein Hauch vergangener Hippie-Freiheit, das gibt es jetzt auch dort, wo man es nicht unbedingt vermuten würde, in Litauen nämlich. Gemeint ist die „Republik Užupis“, die kulturelle Sonderzone mit dem Flair der großen Freiheit in der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Jenseits des Flusses

Užupis bedeutet „jenseits des Flusses“ und bezeichnet einen kleinen, nur 0,6 km² großen Stadtteil am Rand der Altstadt von Vilnius, das fast „uneinnehmbar“ an drei Seiten von der Vilna umflossen und an der vierten Seite von steilen Hügeln abgeschirmt wird.

Užupis war einst ein jüdisches Viertel, und wurde erst im 16. Jahrhundert durch die erste Brücke über den Fluss mit dem Rest der Stadt verbunden. Nach Kriegsende war Užupis menschenleer, die angestammte jüdische Bevölkerung war im Holocaust ermordet worden, normales Leben war dort wie ausgelöscht. So bildete sich in den heruntergekommenen, leerstehenden Gebäuden eine offiziell geflissentlich übersehene Parallelwelt zum sowjetischen Alltag, die vornehmlich aus Kriminalität, Prostitution und Alkoholismus bestand. Dazu fanden die offiziell gar nicht existierenden Obdachlosen hier Unterschlupf. Vor der litauischen Unabhängigkeitserklärung 1990 war Užupis also der heruntergekommenste und am meisten vernachlässigte der Stadtteil von Vilnius.

Vom sozialen Brennpunkt zur Künstlerkolonie

Mit der neu gewonnenen Unabhängigkeit begann sich der Stadtteil Užupis in den 1990er Jahren zu einem Szeneviertel und einer Künstlerkolonie zu ändern. Užupis wurde zu einem begehrten Wohnquartier der alternativen Kunstszene. Kleine Läden wurden aufgemacht, in denen Kunsthandwerker ihre kleinen und großen Kunstwerke anboten, Galerien öffneten.

In Mitmachworkshops konnte vom Töpfern bis zum Malen alles Mögliche an kreativen Techniken erlernt werden. Künstler und Bewohner von Užupis begannen gemeinsame Aktionen durchzuführen und Kunsthappenings sowie Musikfeste zu organisieren. Immer mehr stärkte sich so der Gemeinschaftssinn.

Die Republik

Užupis Was eigentlich nur eines der Aktionsfeste sein sollte, wurde 1997 zur Gründungsstunde der „Unabhängigkeit“. Als Parlamentsgebäude und Regierungssitz wurde das Café Užupio Kavinė („Café Užupis“) auserkoren, wo auf einer Bronzetafel die Verfassungsartikel verewigt sind. Zunächst wurde auch eine zwölf Mann starke Armee gegründet, die inzwischen wieder aufgelöst wurde, weil sie nicht gebraucht wurde und nie zum Einsatz kam.

Die Unabhängigkeit der Republik Užupis wird nun alljährlich am 1. April mit einem großen Fest und Umzügen gefeiert. Dann wird in Užupis auch gewählt, dazu gibt es ausschließlich am Gründungstag auch Grenzkontrollen auch eine eigene Währung ist dann in Umlauf und man kann sich einbürgern lassen. Am Gründungstag wurde 2002 auf dem Platz im Zentrum des Viertels das neue Symbol von Užupis enthüllt, die Skulptur eines Trompete spielenden Engels, der die Erneuerung des Stadtteils und die neue künstlerische Freiheit darstellt. So kam Užupis zum Beinamen „Engelsrepublik“.

Mit der Renovierung und Sanierung der Gebäude durch ihre Bewohner wurde Užupis inzwischen zum begehrten Wohngebiet - nicht mehr nur unter jungen Alternativen, Künstlern und Studenten. So beginnen die Immobilien- und Grundstückspreise zu steigen, wie es in solchen Fällen immer ist. So gehören zu den rund 7.000 Einwohnern von Užupis heute auch etliche wohlhabende Litauer.

Zu Besuch in der Republik Užupis

Es lohnt in jedem Fall Užupis in das eigene Besichtigungsprogramm für Vilnius aufzunehmen. Bei der Individualreise „Vilnius – Barock auf sieben Hügeln“ ist dafür Muße und Gelegenheit.

Wer die Vilnabrücke überquert und Užupis erreicht, trifft direkt auf das „Zentrum der Macht“ der Republik Užupis, das Café „Užupis Kavine“, in dem auch Romas Lileikis, Musiker, Film¬regisseur und Präsident der Republik seinen Sitz hat. Dort können die Verfassung und einige Werke des Bildhauers Romas Vilčiauskas betrachtet werden, wie die Undine von Užupis. Vom selben Künstler stammt auch der Engel von Užupis an der Kreuzung der Straßen Užupis, Malūnų und Paupio.

Eher klassische Sehenswürdigkeiten sind das spätklassizistische Schloss Honestai aus dem 19. Jahrhundert und die Kirche des Heiligen Bartholomäus aus dem 17. Jahrhunderts, die kleinste Kirche von Vilnius, beides an der Upio Gatve. Der Friedhof des alten Bernhardiner-Klosters in der Žvirgždyno Gatve gar gilt als ältester Friedhof von Vilnius. Am einstigen jüdischen Friedhof, auf dem zwischen 1828 und 1940 Beisetzungen stattfanden, erinnert in der Olandų Gatve ein 2004 errichtetes Denkmal des Architekten Jaunutis Makariūnas an die ermordeten Juden von Užupis.

Dazwischen findet sich reichlich Gelegenheit zum Stöbern in den vielen kleinen Läden mit ihrem außergewöhnlichen Angebot, zum Genießen des kulturellen Angebots und zwischendurch zum Rasten in einem der vielen Cafés, einer der Kneipen und Restaurants mit einem Angebot, das schier unglaublich vielfältig ist. So ist ein Besuch in Užupis eine ausgesprochen kurzweilige und erfrischende Abwechslung beim Besuch von Vilnius.