Die Hafenstadt Liepāja

Liepāja (Libau) liegt im Westen Lettlands hinter den Dünen der Ostseeküste im Tiefland zwischen der Ostsee und den Seen Liepāja und Tosmare. Die mit rund 78.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Lettlands hat einen kilometerlangen, an die 70 m breiten feinen Sandstrand. So fein ist der Sand, dass er ohne Filterung für Sanduhren verwendet werden konnte.

Aus der Stadtgeschichte

Das kleine kurische Dorf Lyva an der Mündung des gleichnamigen Flusses wurde 1253 erstmals als Hafenort im Livländischen Ordensstaat erwähnt, und gleich mehrfach von anstürmenden Litauern zerstört. Der unbefestigte Hafenort wurde 1560 an Preußen verpfändet, wo er ein knappes halbes Jahrhundert verblieb. Zuwanderung aus Deutschland ließ Lyva stark anwachsen und 1625 erhielt der Ort vom kurländischen Herzog Friedrich von Kettler die Stadtrechte, die vom Lehnsherrn König Sigismund III. Wasa von Polen ein Jahr später bestätigt wurden. Danach wurde mit dem Bau richtiger Hafenanlagen begonnen. Auch Libau wurde von Kriegen und Pestepidemien nicht verschont, hohe Kontributionen für die Verschonung der kleinen Hafenstadt ruinierten die Finanzen. Im Jahr 1703 wurde der Handelskanal zum Libauer See fertig. Der an der breiten Kanalmündung liegende Hafen war ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch für große Handelsschiffe erreichbar.

Zusammen mit dem ganzen Herzogtum Kurland fiel auch das damals weniger als 5.000 Einwohner zählende Libau an das russische Zarenreich. Im folgenden Jahrhundert wurde die Stadt ans Eisenbahnnetz angeschlossen und in der Folge ein Industriezentrum mit Anschluss an einen eisfreien Hafen. Seit 1899 verkehrte hier die erste Straßenbahn im Baltikum. Zu jener Zeit wurde der Libauer Hafen zu einem Kriegshafen erweitert. Kurz nach der Jahrhundertwende bis zum 1. Weltkrieg gab es einen Schiffslinienverkehr mit New York und die nun rund 100.000 Einwohner zählende Stadt wurde zu einem der bedeutendsten Auswandererhäfen des Baltikums.

Ob der Kriegswichtigkeit wurde der Hafen bereits am 2. August 1914 durch ein deutsches Kriegsschiff unter Beschuss genommen. Nach dem Sieg bei Schaulen besetzte das kaiserliche deutsche Heer 1915 auch Libau, der wirtschaftliche Niedergang begann. Nach dem Kriegsende und der Russischen Revolution erklärte Lettland am 18. November 1918 seine Unabhängigkeit und konnte diese im Lettischen Unabhängigkeitskrieg auch bewahren. Nach diesen wirren Jahren erlebte auch Libau in den 1920er Jahren eine neue wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Lettland und damit auch Libau zuerst von der Sowjetunion, später vom Deutschen Reich besetzt. Seit Ende 1944 flohen zehntausende Libauer mit Schiffen vor der Roten Armee. Nach 1945 wurde Lettland und damit auch Liepāja zur Lettischen SSR innerhalb der Sowjetunion. Seit der Unabhängigkeit von 1990 ist Liepāja Teil des freien Lettlands.

Das Schicksal der Juden

Mit dem Einmarsch der Deutschen am 29. Juni 1941 begann für Lettland eine der düstersten Geschichtsperioden, die erst am 9. Mai 1945 endete. Die Wehrmacht eroberte die Stadt nach schweren Kämpfen, an denen auch Zivilisten beteiligt waren. Da Liepāja als kommunistische Hochburg galt, wurde nach dem Eintreffen der Einsatzgruppe A mit äußerster Brutalität gegen gefangene Rotarmisten, lettische Kommunisten und Juden vorgegangen. Binnen einer Woche wurden 1430 Menschen erschossen. Von Ende Juli bis zum September kam es in Stadt und im Umland zu weiteren Exekutionen von etwa 2 000 jüdischen Männern sowie von Zigeunern und Insassen der psychiatrischen Kliniken.
Doch das war erst der Anfang. Im Dezember 1941 trieben die Schutzpolizei-Dienstabteilung des SS-Polizei- und Standortführers Dietrich mit der lettischen Hilfspolizei des SD und dem lettischen Polizeibataillon 21 jüdische Männer, Frauen und Kinder ins Frauengefängnis, später mit Lastwagen auf einen Truppenübungsplatz bei Šķēde, wo sie sich entkleiden mussten. Fast 3 000 jüdische Menschen wurden zu den strandnahen Tötungsgruben getrieben und dort erschossen.
Ein Ghetto wie in anderen Städten gab es in Liepāja nicht, da es dort kein in sich geschlossenes jüdisches Viertel gab. Erst am 1. Juli 1942 wurde ein kleines eng umgrenztes Territorium am Zentrum der Stadt zum Ghetto bestimmt. Dorthin wurde neben den vor Ort verblieben etwa 800 arbeitsfähigen Juden von Libau bis 1943 rund 160 westeuropäische Juden zur Arbeit in der Zuckerfabrik deportiert. Alle Insassen des Ghettos wurden im Oktober 1943 ins KZ Riga-Kaiserwald überstellt. Nach sowjetischen Untersuchungen sollen im Libauer Ghetto 156 Menschen ermordet worden sein.

Liepāja entdecken: Die grüne Stadt am Meer

Liepāja ist für Urlauber gut zu erreichen. Vom Regionalflughafen bietet AIR BALTIC dreimal wöchentlich eine Verbindung mit dem internationalen Flughafen Riga. Dazu besteht eine Fährverbindung der Stena Line mit bis zu acht Abfahrten wöchentlich zwischen Liepāja und Travemünde.

Die „Stadt des Windes“ Liepāja lernt man am intensivsten bei einer Individualreise wie „Lettland zum Kennenlernen“ kennen, bei der auf persönliche Interessen und Wünsche eingegangen werden kann.
Der über acht Kilometer lange feinsandige Sandstrand ist immer ein attraktiver Ort zum Relaxen. Doch ist Liepāja auch ein regionales Kulturzentrum mit einer Universität, einem Theater und vielen Kunst- und Musikveranstaltungen. Nicht nur als Konzertspielort, sondern auch architektonisch ist die Konzerthalle "Großer Bernstein" ein Highlight und allein schon deshalb einen Besuch wert.
Der eisfreie Hafen, die Sonderwirtschaftszone und Metalurgs, das größte Stahlunternehmen im Baltikum, bestimmen heute das Wirtschaftsleben der Stadt, die nach der erneuten Selbstständigkeit Lettlands wirtschaftlich aufblühte. Liepāja ist zwar eine Industrie- und Hafenstadt, doch bestehen 35% der Stadtfläche aus Parkanlagen und Gewässern. Als schönste Grünanlage von Liepāja gilt der 50 Hektar große Strandpark. Er ist zudem die älteste Grünanlage des Baltikums mit inzwischen 150 verschiedene Baumarten. Für Kurzweil sorgen eine Konzertbühne, die Tennisplätze, ein Minigolfplatz und die Biergärten. Ein weiteres grünes Highlight in Liepāja ist der Rosenplatz, ein beliebter Treffpunkt der Einheimischen.
Der Freizeitpark Jurmala (Piejuras Jurmalas Park) führt über 3 km hinter dem Strand von Liepāja entlang. Dahinter liegt rund um die Liepu Iela das alte Seebad mit schönen alten Villen in der speziellen lettischen Variante der Bäderarchitektur. Besonders sehenswert ist die Innenstadt mit dem alten Speicherviertel. Die Promenade am alten Handelskai (Vecā ostmala) wurde nach 2003 restauriert und ist wieder einladend gestaltet. Viel vom Leben der baltendeutschen Führungsschicht und deren Existenz vor dem 1. Weltkrieg kann auf der Prachtmeile Kurmajas Prospekts mit den herrschaftlichen Stadtvillen nacherlebt werden. Im Haus mit der Nummer 16 befindet sich das Stadtmuseum.
Liepāja hat einige sehenswerte Kirchen. Der katholische St. Josephsdom an der Rakstvežu iela ist berühmt für seine Orgel aus dem 18. Jahrhundert, die einstmals die größte mechanische Orgel der Welt war. Besonders empfehlenswert ist der Blick vom Kirchturm, der erstiegen werden kann. Die evangelische St. Anna Kirche an der E. Veidenbauma iela gilt als älteste evangelische Stadtkirche und wurde bereits im Anfang des 16. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Ein besonders prächtiger Bau ist die russisch-orthodoxe Kirche von 1867 mit ihren wertvollen Ikonen.
Einen Besuch wert sind auch die Ruinen der 1908 gesprengten Nordfestung am Nordrand des alten Kriegshafens Karosta aus der Zarenzeit. Neben den Überresten der alten Militäranlagen gibt es dort heute eine Reihe kultureller und freizeitorientierter Angebote.